2.3.2 Fremdarbeitsverfassung

In der Landwirtschaft Asiens gibt es heute eine große Zahl von sogenannten Landarbeitern. Hierbei spielt eine Rolle, daß in weiten Teilen des Kontinents immer noch auf der Handarbeitsstufe mit Zugtieren gearbeitet wird und es oft zu hohen Arbeitsspitzen kommt. Trotzdem ist die Zahl der Landarbeiter nicht vom Bedarf her zu erklären. Vielmehr mußten mit der Bevölkerungsvermehrung immer mehr der landlosen Personen ihre Arbeitskraft gegen Lohn anbieten, um eine Existenzgrundlage zu haben.

‘Landarbeiter’ sind eine Residualkategorie auf dem Arbeitsmarkt

Mit Zunahme des Angebots bei gleichzeitiger Abnahme des Bedarfs wegen der Betriebsverkleinerung verschob sich das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt mit der Folge der Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der landlosen Bevölkerung.

Im Einzelnen ist die Lebenslage der ländlichen unselbständigen Arbeitskräfte jedoch sehr unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen, daß sie ihre Arbeitskraft gegen Entgelt anbieten. Die entstehenden Arbeitsverhältnisse haben sehr unterschiedliche Eigenarten und führen zu verschiedenen Lebenslagen. Es lassen sich in Asien unterscheiden:

Permanente Landarbeiter

Diese Landarbeiter mit Dauerstellung finden sich in etwas größeren Betrieben, denn es muß die finanzielle Basis und der Bedarf für eine ständige Arbeitskraft vorhanden sein. Allerdings bewirkt das niedrige Lohnniveau wegen der hohen Nachfrage nach Arbeit nicht selten, das Betriebsinhaber, die auch selber die Arbeit machen könnten, lieber andere für sich arbeiten lassen. Bei einer bestimmten Betriebsgröße bleibt immer noch genug für die eigenen Bedürfnisse übrig. Auch zentral bewirtschaftete Großbetriebe haben meist einige dieser Landarbeiter, die dann durch solche anderer Formen ergänzt werden. Die Beschäftigung erfolgt oft im Jahreslohn, und die Arbeitsverhältnisse sind langdauernd, teils lebenslang. Dadurch entsteht ein enges patriarchalisches Verhältnis, welches nicht nur Arbeits- und Lohnpflicht umfaßt, sondern auch Stellung einer Wohnung und der persönlichen Bedürfnisse inkl. Kranken- und Altersversorgung. Die Arbeiter sind zu allgemeiner Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet, auch

Landarbeiter sind eine sehr heterogene Kategorie

außerhalb des Arbeitsverhältnisses, und erhalten dafür Schutz und Hilfe in Problemlagen. Die Langfristigkeit bewirkt eine intime gegenseitige Kenntnis, und jeder weiß, was der andere will, was man ihm zutrauen kann und was nicht. Persönliche Schwächen auf beiden Seiten werden oft toleriert. Die Einseitigkeit des Arbeitsmarktes bewirkt, daß ihre Einkommen sich in Grenzen halten. Trotzdem ist diese Schicht die ‘Creme’ der Landarbeiter. Aus ihr rekrutieren sich bei fortschreitender Entwicklung Spezialisten wie Traktorfahrer und Pumpenwärter. Die Verbreitung dieser Form hängt von der Agrarstruktur ab, dürfte aber 10% aller ländlichen unselbständigen Arbeitskräfte nicht übertreffen.

Ländliche Gelegenheitsarbeiter

Zu dieser Gruppe zählen die meisten landlosen Arbeitskräfte in Asien. Sie sind eigentlich keine Landarbeiter, sondern bieten ihre Arbeitskraft jedem an, der Verwendung für sie hat. Zur Zeit der Arbeitsspitzen finden sie Beschäftigung in der Landwirtschaft. Während der übrigen Zeit versuchen sie im Straßenbau, Häuserbau, bei Waldarbeiten, im Transportwesen u.a. Arbeit zu finden. Vielfach sind sie mehrere Monate im Jahr arbeitslos. Nur die relativ hohen Akkordlöhne während der Erntezeit und die häufige Mitarbeit der Frauen und Kinder erlaubt ihnen eine bescheidene Existenz. Die Bezahlung dieser Arbeitskräfte erfolgt abgesehen von der Akkordarbeit während der Ernte meist im Tagelohn, der sich an der unteren Grenze der Existenzmöglichkeiten hält. Diese Gruppe ist das Ergebnis der starken Bevölkerungsvermehrung ohne gleichzeitige Entwicklung der Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Arbeitgeber beklagen den niedrigen Kenntnisstand dieser Arbeiter, von denen viele Analphabeten sind.

Ländliche Arbeiter mit Kleinbetrieben

Wenn im Erbgang oder durch Eigentumsverlust die Betriebe zu klein werden, um die Lebensbedürfnisse einer Familie zu decken, muß der Kleinstlandwirt sich einen Zuverdienst suchen. In vielen Regionen ist dies nur als Landarbeiter bei größeren Betrieben oder als Gelegenheitsarbeiter im Straßenbau zu finden. Diese Personen sind als Aushilfskräfte in der Landwirtschaft geschätzt, weil sie über Arbeitserfahrungen verfügen und für zuverlässiger gelten als landlose Personen. Andererseits gibt es Arbeit für sie meist zu einer Zeit, in der sie auch auf der eigenen Fläche benötigt werden.

Diese Form ist sehr verbreitet, wird jedoch von der Statistik kaum als Landarbeiter ausgewiesen, weil die Betroffenen dort als Landwirte oder Pächter erfaßt sind. Umgekehrt erklärt diese Kombination, wie eigentlich die vielen Landbewirtschafter mit Flächen von 1 oder 2 ha und ihre Familien existieren können.

Wanderarbeiter

Hohe Arbeitsspitzen zu bestimmten Jahreszeiten, wie sie besonders in Gebieten mit Monokultur oder mit starker Konzentration auf eine oder wenige Anbaufrüchte vorkommen, werden manchmal durch Wanderarbeiter aus entlegenen Gebieten abgedeckt. Beispiele sind Baumwolle, Zuckerrohr, aber auch Getreide. Manchmal kommen jährlich die selben Arbeitskolonnen in bestimmte Dörfer. Zum Teil besteht eine Art Verlagswesen mit einem Unternehmer, der die Arbeitskräfte einwirbt und als Unternehmer gegenüber dem Landwirt auftritt. Die Wanderarbeiter kommen oft aus Armutsgebieten und suchen ihre Einkommen dadurch zu optimieren, daß sie zunächst in Tieflandgebieten mit früher Erntezeit ziehen, und dann langsam in immer höhere Lagen mit späterem Erntezeitpunkt. Nicht wenige der Wanderarbeiter bleiben über viele Monate des Jahres arbeitslos und leben daher auf niederem Niveau.

Plantagenarbeiter

Die Saisonalität der Arbeit ist auch für viele Plantagenarbeiter ein Problem. Ansonsten haben die Arbeitsverhältnisse von Plantagenarbeitern manche Eigenart der industriellen Arbeitsbeziehungen: straffe Arbeitsorganisation, hohe Arbeitsteilung, Arbeitsordnungen, gewerkschaftliche Organisation. Trotzdem sind die Lebensverhältnisse der Gruppe meist sehr schlecht: niedrige Bezahlung, dürftige Wohnverhältnisse monotone Arbeit und fehlende Aufstiegsmöglichkeiten. Wegen dieser Bedingungen sind Plantagenarbeiter oft Angehörige von Minoritäten oder Ausländer. Zum Teil legen die Arbeitgeber ausgesprochen Wert darauf, Verträge mit großen Familien abzuschließen, weil dadurch auch Frauen und Kinder als Arbeitskräfte gesichert sind. In Teeplantagen sind beispielsweise Kinder sehr geschätzt, weil sie mit ihren kleinen Fingern die kleinsten Blätter um die Knospen zu pflücken vermögen, die den höchsten Preis bringen.

Da die Eltern wegen der Einkommenserhöhung ebenfalls an der Kinderarbeit interessiert sind, bleibt gesetzlicher Kinderarbeitsschutz oft erfolglos. Ein Warnsystem verhindert, daß die Kinder bei der Arbeit sind, wenn der Inspektor kommt. Hoffnung auf Besserung der Arbeitsverhältnisse bei der Nationalisierung der Plantagen haben sich kaum erfüllt.

Landwirtschaftliche Dienstleistungsberufe

In manchen Gesellschaften werden landwirtschaftliche Dienstleistungen in Lohnarbeit vergeben. Teilweise hat sich aber ein Gegenseitigkeitsverhältnis herausgebildet, wie z.B. im Sep - Jajmani System in Südasien. Landbewirtschafter und Handwerker decken gegenseitig ihre Bedürfnisse: Die Handwerker verrichten pauschal alle erforderlichen Arbeiten in ihrem Beruf gegen eine pauschale jährliche Bezahlung in Naturalien durch die Landbewirtschafter, mit denen sie diese Arbeitsbeziehung eingegangen sind. Auf diese Weise sind die Handwerker ihrer Existenz sicher und können nicht arbeitslos werden, und die Landbewirtschafter haben zu jeder Zeit handwerkliche Fachkenntnisse zu ihrer Verfügung. In diesem System werden auch erforderliche soziale Dienste abgedeckt (Barbier, Heiratsvermittler, Dorfkoch etc.), teils durch die Ehefrauen der Handwerker.

Allerdings sind die Fachkenntnisse der Handwerker sehr bescheiden und reichen nur aus, den Bedarf der traditionellen Landwirtschaft zu befriedigen. Mit Eindringen der Mechanisierung reicht dies nicht mehr aus. Andererseits wollen Handwerker auch nicht mehr ständig im Dorf anwesend sein, um abgerufen werden zu können, sondern durch Tätigkeit in den Marktflecken ihr Einkommen erhöhen. Daher löst sich das System auf. In Gebieten mit traditioneller Landwirtschaft erfüllt es aber noch seinen Dienst und garantiert den Handwerkern ein Einkommen, welches sicher ist und erheblich über dem der Landarbeiter liegt.

Gebundene Arbeitsverhältnisse

Diese Arbeitsverhältnisse, auch als wirtschaftliche Sklaverei bekannt, entstehen durch wirtschaftliche Verpflichtungen, insbesondere durch Verschuldung. Zum Teil gehen aber auch Personen freiwillig Bindungen ein, um sich dadurch Schutz und Existenzbasis zu sichern. Meist wird jedoch bei einem Kreditfall ein Vertrag geschlossen, der den Kreditnehmer bis zur Rückzahlung als Arbeitskraft an den Geldgeber bindet. Niedriger Lohn und hohe Zinsen bewirken, daß diese Verhältnisse oft lang andauernd sind, teil lebenslang und sogar erblich. Zwar sind solche Verhältnisse illegal, aber bei ihrer Notlage besteht kaum Aussicht für die Arbeiter, ihr Recht durchzusetzen. Diese wirtschaftlichen Sklaven, die sich ohne Genehmigung auch nicht vom Wohnort entfernen dürfen, sind in vielen Ländern Asiens zu finden. Vor einigen Jahren kam eine Untersuchung in Indien zu dem Ergebnis, daß man mit 2 Millionen Fällen in diesem Land rechnen müsse. Die Dunkelziffer ist sicher noch viel höher.

Eine mildere Form besteht darin, daß Kreditnehmer jederzeit auf Abruf zu Arbeitsleistungen bei ihren Gläubigern erscheinen müssen. Dieser hat auf diese Weise bei Bedarf Arbeitskräfte ohne die Verpflichtung zu ständiger Beschäftigung und Bezahlung von Spitzenlöhnen.

Zwischen diesen idealtypisch beschriebenen Formen von ländlichen Lohnarbeitskräften gibt es natürlich viele Mischungen im Jahresablauf, zwischen einzelnen Jahren und im

Landarbeiterstatistiken sind kaum brauchbar

Laufe des Lebens. Die amtlichen Statistiken sind in wenigen Bereichen so wenig brauchbar wie bezüglich der Landarbeiter. Sie erfassen diese nur zum Teil, differenzieren nicht nach den ganz unterschiedlichen Formen und treffen mit ihrer Zahl auch nicht annährend die Realität.
Die unterschiedlichen Formen verlangen auch verschiedene Maßnahmen zur Förderung ihrer Lebenssituation:

  • Permanente Landarbeiter müssen durch Fortbildung die Möglichkeit zu besserer Arbeitsleistung erhalten. So sind beispielsweise die meisten Traktorfahrer ‘self-made-men’. Selbst Teilnehmer an einem Schlepperfahrerkurs werden nur im Fahren, aber nicht in zweckmäßiger Arbeit mit Maschinen und auf dem Feld unterwiesen.
  • Der großen Masse der ländlichen Gelegenheitsarbeiter kann nur durch Schaffung von Arbeitsplätzen zu besseren Existenzen verholfen werden. Für den Einzelnen würde sich durch Aus- und Fortbildung seine Stellung unter den Arbeitssuchenden verbessern.
  • Landwirtschaftliche Dienstleistungsberufe benötigen eine qualifizierte Ausbildung, die über das hinausgeht, was sie von ihrem Vater gelernt haben. Dazu könnten Kurse dienen, die auf den vorhandenen Kenntnissen aufbauen und diese auf die heutigen Anforderungen steigern. Für die Bedürfnisse in ländlichen Gebieten ist keineswegs eine dreijährige Lehre notwendig, sondern Kenntnisse, die mit Kursen von 3 - 4 Monaten vermittelt werden können.
  • die skandalösen Verhältnisse bei wirtschaftlichen Sklaven erfordern eine striktere Anwendung der bestehenden Gesetze. Allerdings wird es bei der hohen Notlage immer Personen geben, die stillschweigend entsprechende Übereinkünfte eingehen und die Gesetze umgehen.

 

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