2.1.3 Gemeinschafts- und Kollektiveigentum

Gemeinschaftseigentum erfordert intakte indigene Institutionen
Gemeinschaftseigentum ist die älteste Organisationsform der Bodenrechte. Es hat sich in vielen Ländern in allerdings unterschiedlichem Umfang bis heute erhalten. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Eigentum in Sinne des Privateigentums, sondern um Verfügungsrechte am Boden, die bei Verwandtschafts- oder politischen Gruppen lokalisiert sind, die größer sind als die Einzelfamilie. Diese Gruppen sind eine Art Treuhändler und verteilen durch einen Gruppenältesten das Land an die Gruppenmitglieder zur Nutzung, solange diese Nutzung fortgeführt wird. Bei Verlassen

Gemeinschaftseigentum erfordert intakte indigene Institutionen

fällt das Land wieder der Verfügung der Gruppe zu. Zum Teil wird das Land traditionell auch gemeinschaftlich genutzt, besonders bei Wald, Weide, Buschland und Hutungen.

Diese Form der Bodenordnung hat bei mehr traditionellen Wirtschaftsformen und Bewirtschaftern eine Reihe von Vorteilen:

  • Sie gewährt allen Gruppenangehörigen für Lebzeit eine Sicherung des Auskommens, solange nur das zur Verfügung gestellte Land genutzt wird. Vielfach gibt es auch Regelungen für die Versorgung von Alten und Kranken, die die Bewirtschaftung nicht mehr selbst vornehmen können.
  • Ein entwickeltes System der sozialen Kontrolle mit Sanktionen überwacht die Erhaltung der Ressourcen durch Nutzungsformen, die eine Nachhaltigkeit sichern, solange das Autoritätssystem der Gruppe intakt ist.
  • Das System verknüpft die Regelung von Boden, Wald, Unland, Wasser und anderer Ressourcen.
  • Das alleinige Recht der Existenzgewährung durch Landzuweisung stärkt den Zusammenhalt der Gruppe und ihrer inneren Struktur.
  • Die ärmsten und schwächsten Bevölkerungsteile können nicht der Existenzgrundlage beraubt werden, da die Ansprüche auf Landzuweisung unveräußerlich sind.

Aus diesen Gründen haben manche Regierungen das Gemeinschaftseigentum von Minoritäten unter Staatsschutz gestellt. Allerdings ist in einigen Ländern das Gemeinschaftseigentum Verfallserscheiungen ausgesetzt. Dies ist meist auf die Auflösung der indigenen Institutionen zurückzuführen, die die Kontrolle der Landverteilung innehatten. Die auch in abgelegenen Gebieten zunehmenden Einflüsse der Moderne, Migration, Markteinbindung und neue Technologien in der Landwirtschaft sind stark wirkende Kräfte, die in Richtung auf Umwandlung in staatliche oder private Bodenrechte wirken. Manche internationale Konferenzen warnen aber davor, und Trends zur Re-Kommunalisierung sowie die Landnutzungsplanung wirken entgegengesetzt. Nutznießer einer Auflösung von Gemeindeeigentum wären in erster Linie die mehr fortgeschrittenen Bevölkerungsteile, während die rückständigen Personengruppen die Vorteile des alten Systems verlieren. Noch ist der Wandel begrenzt und beschränkt sich teils auf die Öffnung des Landes für alle Interessenten, auch Gruppenfremde. Ohne massive Einwirkung des Staates dürfte der Transformationsprozeß bei zunehmendem Zerfall autochthoner Institutionen nicht aufzuhalten sein. Andererseits ist dieser Zerfall wieder auf die Einwirkung des Staates und die Ausdehnung staatlicher Administration zurückzuführen, so daß die Chancen pessimistisch zu beurteilen sind.

Das Kollektiveigentum sozialistischer Länder ist erst in diesem Jahrhundert eingeführt worden, um die sozialistischen Theorien auch in der Landwirtschaft in die Praxis umzusetzen. Die Bewirtschaftung erfolgt in großen Einheiten. Für die Entscheidung zur Kollektivierung haben eine Reihe von Argumenten gewirkt. Abschaffung der Grundrente und der Ausbeutung der Landlosen durch die Eigentümer des knappen Gutes Land waren sicher sehr wichtig. Von Bedeutung war auch der gewollte Transfer von Arbeitskräften in die aufkommende Industrie, der nicht schnell genug vonstatten ging, aber nach Enteignung der Bauern dann zunahm. Daneben spielte wohl eine Rolle, daß der Staat leichtere Planungsmöglichkeiten hatte und die Agrarproduktion kontrollieren und beeinflussen konnte.
Inzwischen hat sich das System wegen fehlender Anreize als wenig produktiv erwiesen und zu Nahrungsmittelknappheiten mit hohem Importbedarf geführt. Dies hat wohl bei den politischen Änderungen der letzten Jahre eine wichtige Rolle gespielt. Die seither getätigten Änderungen sind noch im Fluß. Überwiegend ist Staatseigentum an die Stelle von Kollektiveigentum getreten, teilweise werden die großen Wirtschaften in Form von Kapitalgesellschaften weitergeführt. Eine Privatisierung und Schaffung von Familienbetrieben wird zwar diskutiert, beschränkt sich aber auf wenige Länder und Fälle. Hierbei spielt sicher eine Rolle das Fehlen einer bäuerlichen Tradition, der Kapitalmangel und die Abwesenheit von Förderinstitutionen für Kleinbetriebe, aber auch ungeklärte Eigentumsfragen und Restitutionsansprüche.

 

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