5.2 Implementierungsprobleme
Agrarreformen bedeuten Umverteilung, die einigen etwas geben,
anderen etwas nehmen. Die betroffenen Grundeigentümer
werden versuchen, die Implementierung einmal erlassener Gesetze
zu hindern oder abzuschwächen. Deshalb besteht bei vielen
Reformen eine große Differenz zwischen Gesetzestext
und Durchführung. Es bedarf eines starken Willens und
großer politischer Macht, um Agrarreformen wirklich
durchzuführen. Schon ein klarer Gesetzestext erleichtert
die Implementierung, während bei Unklarheiten die Betroffenen
die Gerichte anrufen können. Änderungen der politischen
Kräfteverhältnisse und der Interessenlagen der Machthaber
können bewirken, daß nach einiger Zeit die strikte
Durchführung der Reform aufhört. Nur eine schnelle
Durchführung läßt keine Zeit zur Abwehr und
garantiert den Erfolg. Hier liegt auch der Grund dafür,
daß Agrarreformen im Zuge von Revolutionen durchgreifender
zu sein pflegen als evolutionäre Maßnahmen.
Nicht selten sind die bestehenden Verwaltungen weder politisch
noch fachlich in der Lage, die an sie gestellten Aufgaben
zu bewältigen, und spezielle Dienste werden nicht schnell
genug aufgebaut. Der höhere Beamtenapparat rekrutiert
sich oft aus den Familien der Grundbesitzer, so daß
eine ähnliche Interessenlage zwischen Beamten und Grundbesitzern
besteht. Niedere Beamte sind nicht frei von Abhängigkeiten
von Grundbesitzern, die sich aus den großen Statusunterschieden
ergeben. Da nicht abzusehen ist, ob das Reformklima bestehenbleibt
oder ob die Grundbesitzer bald wieder an Macht gewinnen werden,
scheuen kleine Beamte sich, diesen entgegenzutreten. Hinzu
kommt die verbreitete Korruption. Es hat sich deshalb als
unbedingt notwendig erwiesen, daß eine dritte Kraft
in Form von Bauern- und Pächterorganisationen geschaffen
wird, die den Grundbesitzern gegenübertreten und die
Interessen der Reformbegünstigten besser vertreten können
als der einzelne. Ohne staatliche Unterstützung oder
Hilfe politischer Gruppen wird es allerdings schwerfallen,
diese Personenkreise zu organisieren (45).
In vielen Ländern entstehen große Probleme bei
der Implementierung durch Unsicherheiten über bestehende
Rechte am Boden. Wenn kein Grundbuch vorhanden ist, muß
die Reformdurchführung mit der Erstellung eines Titelverzeichnisses
beginnen, ein Prozeß, der nicht selten durch Anrufung
von Gerichten sehr langwierig wird.
Zu den Aufgaben des Staates bei der Implementierung von
Agrarreformen zählt die Übernahme von Funktionen,
die bisher die Grundherren ausgeübt haben, oder die Übertragung
dieser Funktionen auf andere Träger. Dazu gehören
in erster Linie die unter „Bodenbewirtschaftungsreformen"
angesprochenen Dienste wie Beratung, Vermarktung, Kreditwesen
usw. Wichtig ist aber auch die Neuorganisation der Kapitalakkumulation,
wenn hier nicht ein Rückschritt eintreten soll, der der
Gesamtentwicklung des Landes abträglich ist.
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