4.1.2 Kollektivierung des Bodeneigentums
Nach marxistisch-leninistischer Lehre muß Privateigentum
am Produktionsmittel Boden beseitigt werden, um Ausbeutung
zu verhindern. Zu einer vollständigen Verstaatlichung
ist es jedoch nur in der Sowjetunion gekommen, während
andere sozialistische Länder Mischsysteme haben. Der
Prozeß der Kollektivierung der Landwirtschaft umfaßt
eigentlich mehrere getrennte Änderungen. Neben einer
Reform des Eigentums (Verstaatlichung des gesamten Bodens
oder nur größerer Eigentümer oder Überführung
der Bodenrechte in die Hand von Gruppen) kommt es zu einer
neuen Betriebsstruktur mit größeren Wirtschaftseinheiten
(Kolchosen, Staatsgüter). Daneben werden kleine Parzellen
zur Eigenbewirtschaftung belassen. Schließlich ändert
sich die Arbeitsverfassung, und die Arbeitskräfte ähneln
mehr Lohnarbeitern als selbständigen Landwirten.
Mit den Kollektivierungsmaßnahmen werden vielfältige
Ziele verfolgt. Die Organisation und Kontrolle der Bauern
und die staatliche Agrar-planung sind einfacher durchzusetzen.
Auf wirtschaftlichem Gebiet ist die Kollektivierung eine wirksame
Methode zur Kapitalbildung und Mobilisierung der Arbeitskräfteüberschüsse,
sowohl zur Nutzung innerhalb der Landwirtschaft als auch zum
Transfer in andere Sektoren. Auch die Erfassung von Nahrung
zur Versorgung der Städter ist vereinfacht. Die großen
Wirtschaftseinheiten erlauben die Ausnutzung der economies
of scale. Dagegen bewirken die kleinen Eigenwirtschaften ein
zusätzliches Einkommen, diversifizieren die Produktion,
besonders hinsichtlich schwer mechanisierbarer Produkte und
für den lokalen Markt, und bewirken eine Ausnutzung überschüssiger
Arbeitskraft und Futtermittel für die Erzeugung (—»
UPTON, Abschn. 3.4; 4).
In den einzelnen sozialistischen Staaten gibt es gewisse
Abweichungen von diesem Grundschema. In der chinesischen Volkskommune
liegt das Bodeneigentum bei der Produktionsbrigade, die die
Nutzungsrechte an die Produktionsgruppe weitergibt. Auch hier
werden bis zu 5 % des Landes von Einzelbauern bewirtschaftet.
In anderen sozialistischen Ländern bestehen privates
und sozialistisches Bodeneigentum nebeneinander (5).
Eine Kollektivierung des Bodeneigentums hat auch außerhalb
sozialistischer Länder stattgefunden. Meist haben Sondersituationen
(extreme Notlage; ethnische oder religiöse Minoritäten
etc.) vorgelegen und haben zu einer gewissen Zwangslage geführt,
obwohl die Beteiligung hier grundsätzlich freiwillig
ist. In Israel z. B. gehört der Boden dem Staat, der
ihn gegen eine symbolische Gebühr an den Kibbuz verpachtet.
Im Kibbuz sind Produktion, Verteilung, Verbrauch und Teile
des privaten Lebens kollektiv geregelt. Die mexikanische Agrarreform
überführte das Bodeneigentum z. T. in die Hand der
Dorfgemeinschaft, während die einzelnen Bewirtschafter
nur ein erbliches Nutzungsrecht haben. Experimente mit „genossenschaftlicher
Landbewirtschaftung" bestehen in vielen Ländern,
haben allerdings bisher nicht zu bedeutenden Durchbrüchen
geführt (—> HYDEN, Abschn. 6.4).
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