3.1 Einzelaspekte der Grundbesitzverfassung

3.1.1 Verfügungsrechte und Nutzungsrechte

Bestandteile der Grundbesitzverfassung sind Verfügungs- und Nutzungsrecht. Das Verfügungsrecht ist das Recht, über ein Grundstück durch Verkauf, Verpachtung, Vererbung, Schenkung, Beleihung usw. zu verfügen. Inhaber des Verfügungsrechtes ist der Eigentümer. Das Verfügungsrecht bezieht sich besonders auf Grundstücksverkehrsentscheidungen.

Das Nutzungsrecht ist das Recht zur tatsächlichen Nutzung eines Grundstückes. Inhaber ist der Besitzer, z. B. der Pächter. Das Nutzungsrecht bezieht sich auf Dinge wie Urbarmachung, Fruchtbarkeitserhaltung, Bewässerung, Bewirtschaftung, Bodenverbesserung etc. Hier spielen weniger Rechtsverhältnisse als die Ausschöpfung der Produktionskapazität im Rahmen der technologischen Möglichkeiten eine Rolle. Der Übergang ist gleitend. Recht und Sitte können die Verfügungsrechte so stark beschränken, daß wenig mehr als ein Nutzungsrecht übrigbleibt.

3.1.2 Eigentum am Boden

Der Inhalt des Eigentumsbegriffs ist nicht einheitlich, sondern hängt von der Rechtsordnung der einzelnen Staaten ab (16). Generell verlangt Bodeneigentum

  • einen Eigentümer; alles Land hat einen Eigentümer. Eigentümer können Einzelpersonen (auch juristische), Personengruppen (Gemein- oder Kollektiveigentum) und Staat sein,
  • eine Staatsgarantie; der Staat (Stamm, Clan etc.) muß das Eigentum garantieren, damit Sicherheit besteht, die Ergebnisse der Anstrengung zu ernten. Das Individuum erhält also von der Gesellschaft das Eigentumsrecht;
  • menschliche Beziehungen; Eigentum ist eine Institution, die wegen Knappheit wirtschaftlicher Güter erforderlich wurde, um andere auszuschließen.

Eigentum am Boden entsteht durch ursprünglichen Eigentumserwerb (erste Okkupation, Urbarmachung) oder durch Eigentumsänderung (Eroberung, Vertrag, Rechtsnachfolge, Belehnung, Zuteilung, Wirkung von Dauerkulturen). Eigentumsrechte können auf mehreren Ebenen nebeneinander bestehen, etwa durch staatliches Recht und durch autochthone Bodenrechtsordnung garantiert werden. Konflikte zwischen diesen Ebenen führen leicht zu Rechtsunsicherheit und langwierigen Auseinandersetzungen.

Die Institution des Bodeneigentums soll den Rahmen zur Befriedigung der Bedürfnisse an der Bodennutzung schaffen. Die Funktionen des Bodeneigentums stellen sich je nach Sichtwinkel unterschiedlich dar. Für die Einzelperson spielt Schaffung von Einkommen und Existenzsicherheit, Möglichkeit zur Disposition und Kontrolle, Schaffung von Prestige und Befriedigung emotionaler Bedürfnisse eine Rolle. Aus der Sicht der Gesellschaft sind Produktionsanreize, Machtaufteilung und Mittel zur Organisation der Gesellschaft wichtig.

Die Erfüllung dieser Funktionen ist unterschiedlich und in den einzelnen Gesellschaften und Zeiten verschieden. Auch bei positiver Beurteilung kann man Nebeneffekte nicht übersehen. Besonders zunehmender Bevölkerungsdruck ohne Ausgleich durch Siedlung oder Abwanderung führt zu Eigentumsverlusten bei Schwachen und Konzentration bei Stärkeren bei gleichzeitigem Rückgang der positiven Effekte.

Die Frage des Bodeneigentums ist ideologisch stark belastet. Empirisch festzustellen ist, daß agrarische und gesellschaftliche Entwicklung mit und ohne Privateigentum am Boden möglich ist. Historisch ist Privateigentum am Boden ein westliches Konzept und in vielen Entwicklungsländern erst durch Europäer eingeführt worden. Verzicht auf die Institution Eigentum erfordert allerdings die Schaffung alternativer Regulatoren, was sich oft als schwierig erweist und nicht ohne negative Nebenwirkungen bleibt. Außerdem streben gerade Kleinbauern nach Bodeneigentum, besonders wegen der existenz- und krisensichernden Wirkung. Andererseits sind Sicherheit der Nutzungsrechte und Sicherheit der Investitionen für eine Agrarentwicklung wichtiger als die Frage des Eigentums.

3.1.3 Beschränkungen der Grundeigentumsrechte

Die Idee des Eigentums und ihre gesellschaftliche Determinierung schließt Beschränkungen der Eigentümerrechte zugunsten der Gesellschaft ein und erlegt dem Eigentümer Pflichten auf. Oft beansprucht der Staat die vollen Eigentumsrechte an Boden, gibt sie aber abzüglich des Steuerrechts weiter (Obereigentum). Darüber hinaus sind die Verfügungs- und Leitungsbefugnisse heute allgemein noch weiter eingeschränkt. Dies kann geschehen durch: Sitte. Die Beschränkung erfolgt durch Familien oder andere Gruppen. Beschränkt werden die Befugnis zur Besitzübertragung (Aufteilung auf Erben, Auffassung als Treuhänderschaft, Hofidee), die Produktionsplanung (Flurzwang, Naturalentlohnung), die Leitung der Zusammenarbeit (Organisationsform der Betriebe, Mitarbeit, Arbeitsverteilung) und die Verteilung der Erträge (Familienansprüche, Aussteuerpflicht, Familiensolidarität).

Private Rechte. Die Beschränkung erfolgt durch Verpächter, Gläubiger, Stifter, Genossenschaft. Beschränkt werden Produktionsplanung (Mitbestimmung, Trepprechte, Anbauverpflichtungen), Nutzung von Teilen des Bodens (Jagd, Wege, Wasser, Schürfrecht), Anspruch auf Erzeugnisse (Teilbau-Zahlungen, Lieferverträge, Gläubiger) und Veräußerungs- und Belastungsrechte.

Öffentliches Recht. Die Beschränkung erfolgt durch Staat, Gemeinden, Berufsstände. Beschränkt werden der Ertrag (Besteuerung) und die Entscheidungsfreiheit (Genehmigungspflichten, Marktregulierungen, Mitbestimmung bei Produktion und Leitung, Pflicht zu intensiver Nutzung).

3.1.4 Vererbung des Grundeigentums

Die geschlossene Vererbung, also der Übergang des Grundeigentums an einen Erben, ist in Entwicklungsländern wenig verbreitet. Die Idee ist hier, das Überdauern des Betriebes über Generationen zu sichern und dazu die Ansprüche der Miterben und die Belastung der Betriebe zu begrenzen. Voraussetzung ist das Vorhandensein alternativer Existenzmöglichkeiten. Diese Form findet sich daher in den Entwicklungsländern nur selten, am ehesten bei Angehörigen der Oberschicht, deren weichende Erben in Militär und Verwaltung unterkommen.

Viel verbreiteter ist die Aufteilung des Grundeigentums auf die Erben, wobei nicht selten Übergangsformen vorkommen. So erhält in Ost-Asien der älteste Sohn einen größeren Anteil gegen die Verpflichtung, für seine Eltern und die Ahnengräber zu sorgen. Andere Gesellschaften bedenken Söhne mit einem größeren Erbteil als Töchter. Wenn durch Aufteilung die Betriebsgröße unzweckmäßig klein wird, behalten zuweilen die Kinder einen gemeinsamen Betrieb bei und teilen nur den Ertrag auf, wobei die Erben an der Bewirtschaftung teilhaben oder auch anderem Erwerb nachgehen.

Meist führt diese Erbsitte jedoch zur Verkleinerung der Betriebseinheit in jeder Generation. Wenn dies auch zum Teil durch Heirat wieder ausgeglichen wird, so bedeutet das doch nur eine Verlangsamung des Prozesses. Die Entstehung von Zwergbetrieben mit Verelendung der Bewirtschafter ist das Ergebnis eines sich verschlechternden Mensch-Boden-Verhältnisses und nur durch sichere alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, Siedlung oder Intensivierung aufzuhalten.