2. Bestimmungsgründe für den Beschäftigungsumfang
in ländlichen
Gebieten
Der Beschäftigungsumfang in ländlichen Gebieten
kann sehr unterschiedlich sein und hängt ab von Richtung
und Technologie der Agrarproduktion, von der Agrarverfassung,
dem Ausmaß nicht monetärer Kapitalbildung und dem
Entwicklungsstand der Landwirtschaft vor und nachgelagerter
Bereiche. Diese fünf Determinanten beeinflussen sich
gegenseitig.
a) Richtung der Agrarproduktion
Verschiedene Anbaufrüchte verlangen unterschiedlich
hohen Arbeitsaufwand. Diese Unterschiede bestehen hinsichtlich
Gesamtaufwand, zeitlicher Verteilung, Art und Schwere der
Arbeit und Verteilung der Ausführung auf die Geschlechter.
Neben der Wahl der Anbaufrüchte und ihrer Verbindung
zu einem Anbausystem mit möglichst ausgeglichenem Arbeitsbedarf
spielt die Anbauintensität für den Arbeitsbedarf
eine große Role. Mehrfachanbau ermöglicht die Nutzung
größerer Arbeitskapazitäten. Auch das Ertragsniveau
ist von Einfluß, allerdings nur unterproportional. Eine
erhebliche Ausweitung des Arbeitsbedarfs wird durch tierische
Veredelungsproduktion bewirkt, und zwar oft in einer besonders
für weibliche Arbeitskräfte geeigneten Form.
b) Technologie der Agrarproduktion
Die Landwirtschaft verwendet eine Fülle von Technologien
mit unterschiedlicher Beschäftigungswirkung. Dabei versuchen
die biologischtechnischen Verfahren die Wachstumsbedürfnisse
von Tier und Pflanze zu optimieren. Bei Bodenbearbeitung und
Pflegearbeiten bestehen viele Möglichkeiten, durch vermehrten
Arbeitsaufwand zu Mehrerträgen zu kommen. Handelsdüngerverwendung
hat nur wenig Mehraufwand an Arbeit bewirkt, teils sogar durch
Ersatz von wirtschaftseigenem Dünger zu einem Rückgang
im Arbeitsaufwand geführt. Auch chemische Unkrautbekämpfung
reduziert den Arbeitsaufwand.
Mechanisch technische Verfahren wollen die qualitative und
quantitative Leistungsfähigkeit der Menschen durch Geräte
und Maschinen erhöhen und so die Agrarproduktion effizienter
gestalten. Die Wirkungen können vielgestaltig sein: arbeitssparend,
arbeitserleichternd, qualitätsverbessernd und ertragssteigernd.
Während früher die Mechanisierung primär ertragssteigernd
wirkte, wird der modernen Mechanisierung besonders der Einführung
der Traktoren arbeitsfreisetzende Wirkung nachgesagt. Dies
kann, muß aber nicht sein. Mit einer selektiven Mechanisierung
werden Engpässe beseitigt und so Produktion und Beschäftigung
erhöht, besonders, wenn das mit der Mechanisierung geschaffene
Potential auch genutzt wird. Im übrigen machen die Beispiele
Bewässerungspumpen, Traktoren und Erntemaschinen deutlich,
welche Unterschiede in der Beschäftigungswirkung verschiedene
Mechanisierungsformen haben können. Zudem ist die Beschäftigungswirkung
bei Produktion, Distribution und Reparatur der Geräte
zu berücksichtigen.
c) Agrarverfassung
Verschiedene Agrarverfassungen bewirken unterschiedliche
Absorption von Arbeitskräften. Wichtige Unterschiede
bestehen zwischen Betriebsgrößen. Kleinbetriebe
substituieren die ihnen fehlende Fläche nach Möglichkeit
durch maximalen Einsatz ihrer Arbeitskräfte. Großbetriebe
arbeiten mit zu bezahlenden Fremdarbeitskräften und streben
sparsame Verwendung an. Das Desinteresse gering bezahlter
Arbeitskräfte sucht man oft durch Konzentration auf Ackerbau
auszugleichen, der geringere qualitative Ansprüche stellt
als Tierhaltung, die daher Domäne der Kleinbetriebe ist.
Bei Familienbetrieben besteht Anreiz zu hohem Einsatz von
Arbeitskräften, weil die Erträge der Familie auch
wieder zufließen.
Kollektive sind besser als Arbeitseinheiten aufzufassen,
die Arbeit für alle in und außerhalb der Landwirtschaft
finden müssen. Dies rentiert sich, solange noch ein Mehrprodukt
erzielt wird, eventuell auch nur langfristig. Arbeit wird
gleichmäßig verteilt, aber die Existenz hängt
vom erwirtschafteten Gewinn ab. Immerhin ist es in China gelungen,
saisonal Untätige für Aufforstung, Wegebau, Wasserkonservierung
und anderes mehr zu mobilisieren. Die Möglichkeit, Risiken
zu verteilen, hat sicher zur Schaffung einer diversifizierten
ländlichen Wirtschaft mit breiterem Spektrum von Arbeitsplätzen
beigetragen.
Die Kleinheit vieler Fachbetriebe ist Anreiz zu hohem Arbeitsaufwand,
was aber durch mangelnde Sicherheit, die Negativwirkung des
Teilbaues und die Interessenlage der Grundbesitzer bei der
Wahl der Anbaufrüchte wieder umgekehrt wird. Je besser
die Landwirtschaft mit Förderungsinstitutionen ausgestattet
ist, desto größer sind die Chancen zur Umstellung
auf mehr Arbeit verwendende Produktionsrichtungen und verfahren.
d) Nichtmonetäre Kapitalbildung
Möglichkeiten zum Arbeitseinsatz bestehen neben der
direkten Agrarproduktion auch zum Zwecke der Kapitalbildung
auf nicht monetäre Weise. Außerhalb der Landwirtschaft
kann es sich um die Erstellung von Infrastruktur oder um Maßnahmen
zur Verbesserung der Lebensverhältnisse im Dorf handeln.
Innerhalb der Landwirtschaft kann die Qualität der Produktionsgrundlage
durch Einebnen von Feldern, Einrichtung einer Bewässerung,
Einzäunungen oder durch Arbeitsaufwendungen für
spätere Erträge (Aufforstung, Verbesserung des Viehbestandes)
verbessert werden. Im Einzelfall handelt es sich um kleine
Zuwächse, die aber über viele Jahre bei der großen
Zahl von Betrieben stark zu Buche schlagen.
Günstige Voraussetzungen für derartige Arbeiten
bestehen innerhalb der Familienbetriebe, da jeder sicher ist,
daß ein zukünftiger Mehrertrag auch der Familie
wieder zukommt. Allerdings haben Generationen die meisten
auf Betriebsebene mit den Kräften der Einzelfamilie auszuführenden
Arbeiten bereits erledigt. Größer sind die Möglichkeiten
auf Dorfebene. Hier tritt allerdings ein Organisationsproblem
auf, und ungleiche Interessenlage mag die Bereitschaft zur
Mitwirkung schmälern. Umfassen die Projekte mehrere Dörfer,
wird das Koordinationsproblem noch größer,, und
der Bedarf an Planung und Finanzierung steigt, während
der direkte Nutzen des einzelnen weniger deutlich wird. Kollektive
haben organisatorisch die besten Möglichkeiten zu derartigen
Aktivitäten zur Kapitalbildung, da nur ein Teil der Arbeitskräfte
entsprechend abgeordnet werden muß, während die
Kosten internalisiert werden. Bei Vorhandensein geeigneter
Institutionen bestehen aber auch bei anderen Agrarsystemen
Möglichkeiten, wie z.8. die Erhaltungsarbeiten der Bewässerungsassoziationen
Ostasiens zeigen.
e) Entwicklungsstand vor und nachgelagerter Bereiche
In ländlichen Gebieten finden Menschen nicht nur in
der landwirtschäftlichen Produktion Beschäftigung,
sondern auch in den der Landwirtschaft vor und nachgelagerten
Bereichen und in der von der Landwirtschaft unabhängigen
Konsumgüterproduktion. Je nach verwendeter Technologie
der Agrarproduktion müssen Handelsunternehmen unterschiedliche
Mengen von Betriebsmitteln bereitstellen,und Maschinen müssen
repariert werden. Je nach eingesetztem Produktionsverfahren
mag Arbeitsextensität in der Landwirtschaft durch erhöhte
Arbeitskräftezahlen im Zuliefererbereich ausgeglichen
werden. Hinzu kommen Arbeitsplätze bei landwirtschaftlichen
Förderungsinstitutionen, wie Beratung, Banken, Genossenschaften
u.a. Nachgelagert sind der Landwirtschaft Unternehmen des
Absatzes, der Lagerhaltung und des Transportes sowie je nach
Produktion die Beund Verarbeitung. Die Bedürfnisse der
landwirtschaftlichen Bevölkerung decken Unternehmen der
Konsumgüterproduktion und der Dienstleistungen.
Das Ausmaß der Beschäftigungsmöglichkeiten
in diesem Bereich hängt ab vom allgemeinen Entwicklungsstand
der Region, der Art der Agrarproduktion und der Importpolitik
(THIMM, 1982). Lokale Kleinbetriebe bieten mehr Arbeitsplätze,
die auch nebenberuflich wahrgenommen werden können, als
kapitalintensive Großunternehmen.
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mit: 3. Möglichkeiten zur Beeinflussung
des Beschäftigungsumfanges
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