5. Neue Rollen für »Land« und »Landwirtschaft«
Die dargestellten Wandlungen führen zu neuen Rollen
des Landes in der Gesellschaft, und damit zu veränderten
Funktionen der Landwirtschaft.
Nahrung muß weiterhin für alle erzeugt werden,
eine Funktion, die zwar zur Zeit gesichert erscheint, aber
für die Zukunft als unsicher angesehen werden muß.
Aber das Land ist nur noch Arbeitsstätte und Existenzgrundlage
für einen Teil der Landbevölkerung, beziehungsweise
für einen Teil der Existenz. Ein anderer, möglicherweise
viel größerer Teil stammt bei manchen Landbewirtschaftern
aus nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit.
Dem Land kommen aber neue Funktionen zu, die bisher weniger
eine Rolle gespielt haben oder weniger im Bewußtsein
der Menschen waren. Es ist ein zunehmender Bedarf an Land
für nichtlandwirtschaftliche Zwecke zu befriedigen, wie
beispielsweise Flächen für Häuser und Industriegelände,
für Straßen, Sportstätten usw. Hinzu kommt
die wachsende Bedeutung des Landes als Erholungsgebiet und
für landschaftserhaltende Maßnahmen. Hierzu muß
die Landwirtschaft nicht nur Flächen abtreten, sondern
auch mitwirken durch um weit verträgliche Bewirtschaftung.
In manchen Ländern wird es üblich, daß wohlhabende
Städter sich Landflächen zulegen, entweder als Landsitz
zur steuerfreien Geldanlage oder zur Spekulation.
»Land« läßt sich nicht mehr so einfach
von »Stadt« trennen. An den Rändern kommt
es zunehmend zu Mischzonen. Viele Landbewohner sind in die
Stadt gezogen, behalten aber enge Beziehungen zu ihren Heimatdörfern
bei. Wenn die Familie dort wohnt, besuchen sie sie wöchentlich.
Manche Dörfer haben »Ableger« in der Stadt,
bestimmte Wohngebiete, in denen sieh die aus einem Dorf stammenden
angesiedelt haben und sich gegenseitig unterstützen.
Ähnliches gilt für die »Landwirtschaft«.
Sie ist seit Einführung der neuen Technologie mit Industrie
und Gewerbe eng verflochten, die ihr Betriebsmittel und Dienstleistungen
liefern, ohne die moderne Landbewirtschaftung kaum möglich
wäre.
So positiv diese eingesetzten Entwicklungen auch sein mögen,
so besteht doch ein leider nicht geringer »Bodensatz«
von Armut fort. Er wird von den Neuerungen kaum erreicht.
Dies rührt in erster Linie von den Charakteristika der
Armen her. Wirklich Arme sind im Gegensatz zur verbreiteten
Meinung - nicht die Kleinbauern. Diese leben auf niedrigem
Niveau, sind aber eher untere Mittelschicht auf dem Lande.
Wirklich Arme sind Menschen ohne Ressourcen: Landlose. Alte,
Witwen, Kranke, Behinderte, also Personen, die nicht einmal
über ihre Arbeitskraft verfügen, geschweige denn
über Land. Die dargestellte Entwicklung können sie
daher nicht erreichen, sondern höchstens im Generationswechsel
ihre nachwachsenden Kinder.
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