Konsequenzen
Was sind die Konsequenzen aus diesen Erörterungen?
1. 'Land' ist nicht mehr dasselbe wie vor 25 Jahren. Die
Wichtig-
keit der einzelnen Charakteristika für Land und die Aufgaben
des Landes in der Gesellschaften haben sich geändert.
Insbesondere haben die nichtlandwirtschaftlichen Rollen an
Bedeutung zugenommen, der Landbedarf für Industrie, Wohnfläche
und Infrastruktur ist gestiegen, und Land ist wichtiger geworden
für die Erhaltung der Lebensqualität.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und einen Interessensausgleich
zwischen verschiedenen Anforderungen zu sichern, ist dringend
eine Landnutzungsplanung erforderlich. Diese muß ökologische
Gesichtspunkte einschließen.
2. 'Landwirtschaft' geschieht heute in einer Vielzahl von
unterschiedlichen Lebensformen, die oft nur teilweise von
der
Landwirtschaft bestimmt werden. Je nach ihrer Eigenart
verlangen sie eine unterschiedliche Politik. Damit diese
wirksam werden kann, müssen die Zielgruppen genau definiert
werden. Mit Agrarpolitik allein wird man der Vielfalt der
Lebensformen nicht gerecht.
3. Ziel der meisten Menschen ist primär, durch ein ausreichendes
Einkommen ihren Lebensunterhalt zu decken und zu bessern.
Erst sekundär mag es Wunsch mancher Personen sein, dies
durch Landbewirtschaftung zu erreichen. Für die Mehrzahl
ist heute
Landbewirtschaftung eine von - örtlich verschieden -
mehreren Möglichkeiten, und sie wählen die Erwerbsquelle
oder -quellen, die ihnen die besten Gesamt-Einkommensmöglichkeiten
bieten. Ansatzpunkt staatlicher Politik sollte unter diesen
Umständen also den aufgezeigten Formen von Mischexistenzen
und Altenstellen - nicht so sehr die Agrarpolitik, sondern
die Regionalpolitik sein, also die Förderung landwirtschaftlicher
und nichtlandwirtschaftlicher Aktivitäten inkl. ihrer
Grundlagen. Natürlich kommt der Agrarpolitik dabei große
Bedeutung zu, aber oft eine andere Agrarpolitik als die für
moderne landwirtschaftliche Unternehmer.
4. Wichtige Bestandteile dieser Regionalpolitik sind die
Strukturpolitik, die Preispolitik und die Sozialpolitik. Die
Strukturpolitik muß lebensfähige Wirtschaftszweige
enthalten und fördern, aber Übergänge erleichtern.
Abwanderung aus der Landwirtschaft, teils auch aus dem ländlichen
Raum, sind notwendig, damit regional vergleichbare Einkommen
entstehen können. Die Preispolitik muß - gerade
wenn der Staat stärker in die Wirtschaft eingreift -
Sicherheit für die Produzenten bieten und damit Anreize
bieten zu produzieren und zu investieren. Natürlich ist
das wohlverstandene Interesse der Konsumenten Teil des Entscheidungsprozesses.
Die Sozialpolitik bedarf dringend eines Ausbaus zum Schutz
der Landbevölkerung gegen die Risiken der Krankheit,
Invalidität und Existenz im Alter, da für eine immer
größer werdende Zahl von Menschen der landwirtschaftliche
Betrieb bzw. die Familie diese Risiken nicht mehr auffangen
kann. Die staatlichen Maßnahmen sollten subsidiär
sein, die Zahlungsfähigkeit der Menschen nicht überfordern
und dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Familien
Rechnung tragen.
Der Aufsatz versucht aufzuzeigen, daß 'Land' und 'Landwirtschaft'
sich stark verändert haben und wir uns mit den neuen
Inhalten dieser Konzepte auseinandersetzen müssen.
Wir sind meist sehr ungeduldig, wenn wirtschaftlicher und
sozialer Wandel nicht so schnell vor sich gehen wie wir es
gerne hätten. Gehen vielleicht die Veränderungen
doch manchmal
10 Ergebnisse deutsch-türkischer Universitätspartnerschaften
schneller, als wir sie wahrnehmen, realisieren und unsere
Konzepte anpassen?
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