2. Der zweite Bereich, den ich hier kurz andiskutieren möch­te, betrifft die Frage des Privateigentums am Boden. Bei uns ist diese wenig aktuell, wir haben ja Privateigentum am Boden, sogar verfassungsmäßig geschützt.

Die Frage ist weltweit so aktuell, weil

  • Die sozialistischen Länder sich dem Markt geöff­net haben und diskutieren, ob auch der Boden­markt bis zum Privateigentum hin geöffnet wer­den soll,
  • in afrikanischen Ländern die alten Formen der Bodenordnung mit Regelung durch die Stämme nach dem Niedergang der Stammesautorität sich kaum noch durchsetzen lassen und die alten Ordnungen auch den Anforderungen moderner Landnutzung nicht gerecht werden.

Beeinflussungen mit „Hilfe" von außen sind geprägt durch unsere Erfahrungen und Überzeugungen, aber diese müssten dringend hinterfragt werden.

Dabei geht es um mehrere Ansätze

  • Wie weit geht eigentlich das Privateigentum am Boden bei uns? Handelt es sich nicht zum guten Teil um Idealisierung eines vergangenen Zustands?
  • Nehmen nicht die negativen Aspekte privaten Eigentums am Boden im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu?
  • Sind nicht unsere Institutionen - wie das Privatei­gentum am Boden - in einer bestimmten histori­schen Epoche und unter bestimmten politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rah­menbedingungen entstanden und damit nicht oh­ne weiteres übertragbar?

Ein paar Bemerkungen zu diesen Punkten:

Historisch ist Privateigentum am Boden meist noch jun­gen Datums. Früher war Land kaum von Interesse, unbe­grenzt verfügbar und ohne soziale Bedeutung. Die Herr­scher kontrollierten im Auftrag der Gruppe, erst als Kustodial, dann wegen der unklaren Trennung von Herr­scher und Staat je nach Machtverhältnissen auch als eine Art Eigentum. Dieses bestand aber immer beim Herrscher und nur abgeleitet beim Adel als Gegenleistung für militä­rische und andere Dienste. Ein Privateigentum der Bewirtschafter entstand meist erst viel später:

  • in Teilen Englands um 1000
  • in Frankreich zu Napoleons Zeiten
  • in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts
  • in Indien 1793 durch Cornwallis Permanent Settlement
  • in Japan zur Meiji-Zeit in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
  • in Korea 1910 durch die Japaner.

Anfangs handelte es sich um ein umfassendes Bündel von Rechten

  • zur Nutzung,
  • zum Profitmachen,
  • zu Landverbesserungen,
  • zu Verkauf und Verpachtung und Schenkung,
  • zur Vererbung,
  • zur Belastung,
  • allerdings immer gekoppelt mit Steuerpflichten.

Bald kam es aber zu Begrenzung der Rechte durch Sitte, privates und öffentliches Recht. Schon die Anerbensitte mit der Hofidee und der Verpflichtung, den ererbten Be­trieb an die Nachkommen weiterzugeben, beschränkt die
Eigentümerrechte.

Umfassende Eingriffe entstanden durch die Stadtentwick­lung:

  • Straßenbau
  • Eisenbahnplanung
  • Abwasserregelung
  • Feuerschutz usw.

bewirkten die Entwicklung der sozialen Funktion des Ei­gentums und führten zu

  • Recht auf Beschlagnahme im öffentlichen Inte­resse
  • Zoning
  • Landnutzungsplanung
  • Lizensierung bestimmter Nutzungsformen.

Privateigentum am Boden war exklusiv, aber nicht abso­lut.

Weitere Eingriffe erfolgten über landwirtschaftlich genutz­tes Land:

  • Sicherung optimaler Nutzung im Krieg
  • Zwangsbewirtschaftung
  • Verbot ungeeigneter Kulturen
  • Zwangsanbau erwünschter Kulturen
  • in mehreren Ländern Landreformen
  • Gesetze über Betriebsformen, Pacht, Vererbung, Verschuldung, Siedlung, Landübergabe, Flurbe­reinigung, Ober- und Untergrenze für Betriebe.

Heute führt der Gedanke an den Umweltschutz zu weite­ren Eingriffen:

  • Güllebegrenzung
  • Begrenzung des Düngeraufwandes
  • Intensitätsbegrenzungen

Neuerdings nimmt die Biotechnologie immer mehr Ent­scheidungsrechte aus der Hand des Bodeneigentümers.

All diese Änderungen bewirken, dass man den Inhalt von „Privateigentum am Boc'en" nur aus der Verfassung und den einschlägigen Gesetzen der verschiedenen Länder ablesen kann. Insgesamt ist das Recht auf Privateigen­tum am Boden aber sehr entleert worden und oft nicht viel mehr als ein starkes langfristiges Nutzungsrecht.

Hinzu kommt, dass die Rigidität des Privateigentums am Boden zunehmend zum Problem wird. Exorbitante Bo­denpreise erschweren den Landtransfer, andererseits erlauben Kleinbetriebe vielfach kein befriedigendes Ein­kommen. Der Kleinbauer ist sein Leben lang arm, aber am Todestag ein Millionär.

Arthur Young hat geschrieben, dass Privateigentum in der Hand der Bewirtschafter „Sand in Gold" verwandeln würde. Er hat vergessen, dass dies von einigen Bedin­gungen abhängt:

  • ausreichende Betriebsgröße
  • positive Einstellung der Familie zu Arbeit und Sparen
  • Freiheit in Managemententscheidungen
  • Verfügbarkeit von Hilfsdiensten (Beratung, Kredit, Markt).

Die Funktion des Landes ändert sich, und nichtlandwirt­schaftliche Funktionen nehmen zu. Die Bedeutung des Bodens zur Einkommenserzielung sinkt, und er ist meist als soziale Sicherung nicht mehr ausreichend. Land ist zunehmend nicht mehr Erwerbseigentum, sondern Spe­kulationseigentum und dient der Hortung.

Privateigentum am Boden kann eben nicht nur „Sand in Gold" verwandeln, sondern bei zu kleinen Einheiten auch Armut bewirken und zu suboptimaler Nutzung der knap­pen Ressource führen. Südasien bietet hier gute An­schauung.

Diese knappen Gedanken mögen vielleicht deutlich ge­macht haben, wie vorsichtig man sein muss, Privateigen­tum am Boden für Kulturen zu empfehlen, bei denen tra­ditionelle Wertvorstellungen und authochtones Recht diesem konträr gegenüberstehen.

Vielleicht hilft man auf diesem sensiblen Gebiet am bes­ten, indem man den Menschen in den betroffenen Län­dern nicht sagt, was sie machen sollen, sondern ihnen hilft, ihre eigenen Probleme besser zu verstehen und Alternativen aufzeigt. Daraus mögen sie dann selbst die richtigen Schlüsse ziehen.